Vorurteile bis hin zu Chefärzten weit verbreitet

Ein Chefarzt einer grossen Kinderklinik in der Schweiz, welcher uns namentlich bekannt ist, hielt eine Fortbildungsveranstaltung. Dabei erwähnte er beiläufig, dass vegane Kinderernährung alles andere als gesund sei. Ein Arztkollege wies ihn auf die zahlreichen gesundheitlichen Vorteile einer veganen Ernährung hin. Er ergänzte, dass zahlreiche Fachgesellschaften, darunter die American Dietetic Association und die Dietitians of Canada bereits seit 2003 daraufhin weisen, dass eine gut geplante veganen Ernährung auch für Kinder oder in der Schwangerschaft möglich ist.[1, 2, 3] Er fragte den offenkundig schlecht informierten Chefarzt, wieviele vegane Kinder er denn mit Mangelernährungen in seinem Berufsleben gesehen hätte. Daraufhin erwiderte dieser, dass er in den letzten 10 Jahren ganze 3 vegan ernährte Säuglinge gesehen hätte. Dem Chefarzt wurde vorgehalten, dass er doch garantiert weitaus mehr Kinder, die an den Folgen falscher fleischlastiger Ernährung litten, in diesen 10 Jahren gesehen hätte, bis hin zu Herzinfarkten bereits im Kindesalter und dass seine Erfahrung mit 3 veganen Kindern wohl kaum repräsentativ ist, hingegen hinter den beiden genannten Fachgesellschaften über 80.000 Ärzte und Ernährungswissenschaftler der USA und Kanadas stehen. Daraufhin reagierte er gekränkt, beschwerte sich beim Vorgesetzten des Arztkollegen und erwiderte nur «Veganische Ernährung in Schwangerschaft/Stillzeit und im Säuglings-/Kleinkindalter ist kontraindiziert, weil dies bei einigen Kindern zu schweren Komplikationen führen kann», nicht ohne seine eigene Meinung als differenziert und kindergerecht zu bezeichnen.

Leider erreichen uns täglich solche Nachrichten. Was kann man daraus lernen?

1. Vorurteile gegen eine vegetarische oder vegane Ernährung sind weit verbreitet, leider auch gerade unter Chefärzten und Meinungsbildnern. Solche Ärzte (und ihre Kliniken) sollte man meiden, denn sie orientieren sich offensichtlich nicht an evidenzbasierter Medizin, also den wissenschaftlichen Erkenntnissen. Sofern bei Ihnen jegliche Beschwerden vom Arzt ohne vollständige ordentliche Abklärung automatisch auf vegane Ernährung zurückzuführen sein sollten, dann liegt in erster Linie ein schwerer Behandlungsfehler vor. Diesen können Sie den zuständigen Behörden und Ärzteverbänden mitteilen. Wird Ihnen vom Arzt gar gedroht, er würde den Entzug des Sorgerechtes beantragen, dann können Sie sich auch mit einer Strafanzeige wegen Nötigung wehren. Bleiben Sie jedoch sachlich, lassen Sie Emotionen beiseite - auch wenn es schwer fällt.

2. Wie das Sprichwort «Gegen Dummheit kämpfen selbst Götter vergebens» nahelegt, helfen gegen derartige Vorurteile häufig sachliche Argumente nicht. Veganer müssen mit Anfeindungen und schlimmstenfalls Falschbehandlungen rechnen. Kompetente Unterstützung kann VegMedizin mit dem Sprechstunden- und Zweitmeinungs-Service bieten.

lk/ 17.09.2015

Referenzenverzeichnis

1. American Dietetic Association, Dietitians of Canada. Position of the American Dietetic Association and Dietitians of Canada: Vegetarian diets. J Am Diet Assoc 2003; 103:748.

2. Craig WJ, Mangels AR, American Dietetic Association. Position of the American Dietetic Association: vegetarian diets. J Am Diet Assoc 2009; 109:1266.

3. Amit M. Vegetarian diets in children and adolescents. Paediatr Child Health 2010; 15:303.